Seit Matteo Riccis Wirken vor über vierhundert Jahren hat jede wissenschaftliche Beschäftigung mit China immer wieder sehr schnell zu der Einsicht geführt, dass von China keine Gefahr ausgeht. Und doch blieb bei den weniger mit China vertrauten Zeitgenossen das Bedürfnis vorherrschend, China als Herausforderung zu sehen - wie immer es auftrat, ob als von einem weisen Kaiser gelenkter und von klugen Beamten verwalteter Vielvölkerstaat, als Land der Kulturrevolution oder als Land eines gelenkten Kapitalismus unter Führung durch eine Partei. China war in Europa lange Zeit Vorbild, vor allem im Zue der Ideenkämpfe und der Emazipation staatlicher Macht von der Kirche, und wurde dann zum Inbegriff von Rückständigkeit und damit zur Folie für die Projektion des eigenen europäischen Fortschritts. Merkwürdigerweise jedoch hat diese Bereitschaft, sich in China als Herausforderung und Bedrohung vorzustellen, nur sehr selten dazu geführt, die eigenen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Defizite zu analysieren. Ich meine nun, dass gerade dieser Mangel an Selbstreflexion in Europa für dieses heute die eigentliche Herausforderung darstellt.