Die kapitalistische Arbeitsgesellschaft hat in ihrer wechselhaften Historie verschiedene Gestalten angenommen. Immer dann, wenn linke Kritiker/innen des bestehenden Gesellschaftssystems hofften, das ihm Grenzen des Wachstums oder eine schwere Wirtschafts- bzw. Finanzkrise endgültig zum Verhängnis würden, häutete sich der Kapitalismus, wechselte in kürzester Zeit seine Form und entfaltete auf diese Weise häufig genug eine neue Ungleichheitsdynamik.

Deutschland ist eine Gesellschaft mit wachsender sozioökonomischer Ungleichheit, deren Hauptursache im fortwirkenden Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit liegt. Um ihre spezifischen Merkmale erfassen zu können, muss man verstehen, was den Gegenwartskapitalismus ausmacht und auf welche Art sich Wirtschaft, Gesellschaft und Staat zuletzt verändert haben. Gewandelt haben sich primär die internationalen Rahmenbedingungen (Ende des Systemgegensatzes zwischen Ost und West, Herausbildung neuer Konfliktformationen und Aufstieg Chinas als Wirtschaftsmacht) sowie die technologischen Grundlagen (Computerisierung, Digitalisierung und Automatisierung).

Mit der wissenschaftlich-technischen Entwicklung und den kapitalistischen Verwertungsstrategien hat sich auch die Arbeitswelt stark gewandelt. Durch den massiven Ausbau und die personelle Stärkung des Dienstleistungssektors hat sie eine Transformation erfahren, ohne dass sich der Kapitalismus im Kern veränderte. Vielmehr handelte es sich bis heute um eine industrielle Dienstleistungsökonomie, die vom Digitalisierungsprozess bestimmt und im modernen Finanzmarktkapitalismus von Private-Equity-Gesellschaften, Hedge-Fonds und anderen institutionellen Kapitalanlegern dominiert wird. (Quelle: Buch)