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Im Frühsommer 1933 erschien im Leipziger Verlag S. Hirzel eine bahnbrechende Studie: "Die Arbeitslosen von Marienthal?. Sechs Wochen lang hatten fünfzehn junge Forscherinnen und Forscher rund um Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda in der Arbeitersiedlung Marienthal - zwanzig Bahnminuten südlich von Wien gelegen - die Auswirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit untersucht. Marienthal bot sich dafür in besonderem Maße an: Nach der Schließung der Marienthaler Textilfabrik im Februar 1930 waren drei Viertel der 478 Familien im Ort ohne Arbeit. Eine katastrophale Entwicklung. Die einstmals blühende Gemeinde, eine Hochburg der niederösterreichischen Arbeiterbewegung, wurde in einen Abgrund aus Hunger, Elend und Depression gerissen. Die Folge: Viele überzeugte Sozialdemokraten der 20er und 30er Jahre gingen auch in Marienthal den rassistischen Verheißungen der Nazis auf dem Leim.

Und heute, am Vorabend einer neuen Weltwirtschaftskrise? Wie gültig sind die Ergebnisse der Marienthal-Studie heute noch? Dieser Frage geht Günter Kaindlstorfer in einer aufrüttelnden Dokumentation nach. Sein Resümee: Eine Gesellschaft, die sich mit Massenarbeitslosigkeit abfindet, bereitet den Weg für neue desaströse Entwicklungen - vielleicht bis hin zu neuen Kriegen.

Sachsen-Anhalt zum Beispiel: Im Arbeitsagenturbezirk Sangerhausen beträgt die Arbeitslosenrate offiziell 19,7 Prozent. Nirgendwo in Deutschland ist die Arbeitslosigkeit höher. "Durch die Schließung der Kupferschieferzechen nach der Wende verloren hier in der Region mit einem Schlag 50.000 Menschen ihre Arbeit?, erzählt Nora George, die Leiterin der Arbeitsagentur in Sangerhausen. "Es gibt engagierte Klein- und Mittelbetriebe in der Umgebung, die haben viele Leute eingestellt, den Wegbruch des Bergbaus konnten sie allerdings nicht kompensieren.?

Der Film dokumentiert aber auch das Leben in Marienthal heute, einer typischen Pendlergemeinde im Speckgürtel Wiens. In den revitalisierten Arbeiterwohnhäusern von einst - in denen zur Entstehungszeit der Marienthal-Studie noch das vorwiegend aus Tschechien stammende Textilarbeiterproletariat lebte - haben sich heute vor allem Migrantenfamilien aus Bosnien-Herzegowina und der Türkei niedergelassen. Wo einst Tschechisch gesprochen wurde, hat sich seit den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts vor allem das Türkische als Umgangssprache etabliert - mit allen Konflikten, die der vielzitierte "Clash of Civilizations? auch im Kleinen mit sich bringt.