Eigentlich war die Gelegenheit günstig - ana diesem 4. November im deutschen Wendejahr 1989. Menschenmassen strömen unter dem grau verhangenen Berliner Himmel zum Alexanderplatz, mehrere hunderttausend. Beifall brandet auf. Der alte Mann auf der Rednerbühne ähnelt dem blinden Teresias - und er ist sichtlich gerührt, als er in die winterkalte Luft ruft: "Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren... von Dumpfheit und Mief, von Phrasengewäsch und bürokratischer Willkür, von amtlicher Blindheit und Taubheit." Der Schriftsteller als Volkstribun auf der Rostra der Politik. Stefan Heym, der greise Nestor der einstigen DDR-Literatur, meldet sich in der Stunde des Aufbruchs, des Visionären zu Wort. Noch ein paar jahre zuvor hat er die Westdeutschen ironisch aufgefordert: " Zahlt Miete für die Mauer!" Nach Heym sprechen an diesem denkwürdigen Tag Christa Wolf, Heiner Müller, Christoph Hein und Volker Braun. Als Unbefleckte, von keinerlei Makel entehrt, erscheinen sie den Demonstranten auf dem Alex als Künder einer neuen Zeit, die von einem dritten Weg träumen, einem Sozialismus in Freiheit. (Quelle: Universitas)