Die Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen ist im deutschen Recht seit jeher ein gordischer Knoten. Der Abgrenzungsdogmatik fehlen klare Regeln und Konturen, so dass häufig auch für beschlagene Arbeitsrechtler schwer vorherzusehen ist, ob ein im Streitfall befasstes Arbeitsgericht ein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einordnen würde oder nicht. Die Schaffung des „Arbeitsvertragsparagrafen“ § 611a BGB hat die Rechtssicherheit nicht erhöht. Neue Impulse erhält die Abgrenzungsthematik aktuell aus der Plattformarbeit bzw. dem Crowdworking. Das BAG entschied am 1.12.2020, dass der dortige klagende Plattformarbeiter (Crowdworker) als Arbeitnehmer einzuordnen war. Mit der neuen EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit (Plattformarbeits-RL) soll ein gesetzlicher Vermutungstatbestand zugunsten der Arbeitnehmereigenschaft von Plattformarbeitern eingeführt werden. Dieser Beitrag verfolgt in dem vorliegenden Teil I das Ziel, die Kernelemente der Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen nach deutschem Recht unter Berücksichtigung des § 611a BGB zu skizzieren. Auf dieser Grundlage werden die Crowdworker-Entscheidung des BAG bewertet und ihre Auswirkungen untersucht. Abschließend wird ein Vorschlag zur Systematisierung von Gerichtsentscheidungen zur Statusabgrenzung gegeben. Teil II des Beitrags beleuchtet und bewertet den Vermutungstatbestand der Plattformarbeits-RL und präsentiert unter Verwertung der Erkenntnisse aus Teil I Vorschläge zur Umsetzung des Vermutungstatbestands in deutsches Recht. (Quelle: www.beck-online.beck.de)