Beamtinnen und Beamten ist in Deutschland die Beteiligung an Streiks untersagt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieses Verbot nach zwei neueren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) noch haltbar ist. Beamte stehen in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat. Bund, Länder und Verwaltungsgerichte sind der Auffassung, dass sich daraus ein Verbot ableiten lässt, im Rahmen von Arbeitskämpfen oder aus politischen Gründen die Arbeit niederzulegen. Wer dagegen verstößt, muss auch heute noch mit disziplinarischen Folgen, z. B. einem förmlichen Eintrag in der Personalakte oder einem Bußgeld rechnen. So vertritt die Gewerkschaft Erziehung ? Wissenschaft Bildung (GEW) derzeit in fünf Bundesländern verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer, die sich 2009 an Streiks der angestellten Kolleginnen und Kollegen beteiligt haben. Die deutsche Praxis verstößt allerdings nach einer zunehmenden Auffassung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und andere internationale Verträge, in denen Deutschland das Koalitions- und Streikrecht als Menschenrecht anerkannt hat. Hoffnung machen in dieser Hinsicht zwei Entscheidungen des EGMR: In der Entscheidung »Demir und Baykara gegen Türkei« EGMR (Große Kammer) vom 12.11.2008 ? 34503/97 betont das Gericht, dass die EMRK anhand internationaler Normen interpretiert werden muss. Im Urteil »Enerji Yapi-Yol Sen gegen Türkei, EGMR vom 21.4.2009 ? 68959/01« stellt der EGMR klar, dass das Koalitions- und Streikrecht in Artikel 11 EGMR grundsätzlich auch Beamten zusteht. Einschränkungen sind nach Art. 11 EMRK, letzter Satz zwar für Streitkräfte, Polizei und Staatsdienst zulässig, müssen aber sorgfältig umschrieben werden.