Die Protestierenden haben Recht: Bildung ist keine Ware. Bildung ist eine Investition. Und gerade deshalb ist es so wichtig wie richtig, dass jene bezahlen, die profi tieren. Wer studiert hat, verdient später im Berufsleben besser und ist weniger oft und weniger lange arbeitslos. Selbst wenn berücksichtigt
wird, dass Besserverdienende auch höhere Steuern bezahlen, bleibt eine beachtliche Nettorendite übrig. Nach Berechnungen des Sachverständigenrates beträgt die Nettoertragsrate eines Hochschulabschlusses für Frauen rund 7% und für Männer sogar etwa 8%. Studiengebühren verhindern nun, dass Kosten sozialisiert, aber Erträge privatisiert werden. Und der Wegfall des Verbots von
Studiengebühren zum jetzigen Zeitpunkt ist dringend notwendig, um angesichts der leeren öffentlichen Kassen den Bildungssektor mit mehr Geld ausstatten zu können. Deshalb ist es so wichtig, dass die Studiengebühren auch wirklich an die Hochschulen fl ießen, um die Lehrbedingungen zu verbessern, und dass sie nicht verwendet werden, um Löcher in den Staatshaushalten zu stopfen.
Das Entscheidende am Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2005 ist jedoch gar nicht so sehr, dass die Bundesländer künftig von allen Studierenden Gebühren verlangen dürfen und nicht nur – wie bisher bereits möglich – von Langzeitstudierenden oder bei Zweitstudien. Das Entscheidende ist, dass mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Bildung ökonomisiert wird.
Das ist eine revolutionäre Kehrtwendung. Denn während der letzten Jahrzehnte war es in Deutschland verpönt, Bildung und Ökonomie im selben Atemzug zu nennen. Zu lange beherrschte eine historisch begründete, für die Gegenwart nicht näher hinterfragte, diffuse Angst vor dem Markt die deutsche Bildungsdiskussion. „Gerechtigkeit“ und „Gemeinwohl“ wurden vorgeschoben, um Ideologien und Eigeninteressen zu tarnen. Paternalistische Werturteile wurden ungeprüft akzeptiert.
Verfasserangabe:
Thomas Straubhaar
Jahr:
2005
Aufsätze:
Zu diesem Aufsatz wechseln
opens in new tab
Links:
Diesen Link in neuem Tab öffnen
zum Dokiment (E-Medium)
Mehr...
Suche nach dieser Systematik
Suche nach diesem Interessenskreis
Beschreibung:
H. 2, S. 62-63
Schlagwortketten:
Suche nach dieser Beteiligten Person
Mediengruppe:
Unselbst Lit in Zss